Bundesarbeitsgericht schafft neues Risiko für Scheinselbständige
Erinnern Sie sich noch an Ihren Physikunterricht und den Faraday’schen Käfig? Bei Gewitter sind Sie in Ihrem Auto sicher: Wenn der Blitz ins Auto einschlägt, können zwar gewaltige und lebensbedrohliche Energien fließen, aber nur außerhalb. Innerhalb des Metallgehäuses, also innerhalb des Käfigs, sind Sie sicher, alles Schlimme passiert nur außerhalb.
So ist es auch, wenn bei einer Betriebsprüfung die Scheinselbständigkeit entdeckt wird. Furchtbares passiert: Neben einem möglichen Strafverfahren muss der Arbeitgeber auf jeden Fall Sozialversicherung nachzahlen und zwar für bis zu 48 Monate – durchaus ein bedrohlicher Rums. Der Mitarbeiter aber sitzt in seinem geschützten Käfig, denn die drohende Nachzahlung findet außerhalb seiner Sphäre statt. Zahlen muss nur der Arbeitgeber. (Die zaghafte Einschränkung, dass der Arbeitnehmer sich mit bis zu 3 monatlichen Arbeitnehmerbeiträgen beteiligen muss, können wir dabei getrost vernachlässigen.)
Diesen für den Arbeitnehmer sicheren Zustand hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr infrage gestellt und – um im Bild zu bleiben – mit einer jähen Sturmbö das Dach beschädigt. Zwar muss immer noch die Nachzahlung der Sozialversicherung fast ausschließlich vom Arbeitgeber getragen werden, daran hat sich nichts geändert. Aber: Der Arbeitgeber kann ggf. einen Teil des Arbeitslohnes zurückfordern – so jedenfalls das Gericht. Wie kam es dazu?
Eine Firma aus Baden-Württemberg argumentierte, dass das vereinbarte Honorar für den freien Mitarbeiter ganz erheblich höher gewesen sei als vergleichbarer Arbeitslohn von ihren festangestellten Arbeitnehmern mit der gleichen Tätigkeit, weil man berücksichtigt habe, dass der Mitarbeiter für seine soziale Absicherung selber sorgen musste. Das sei nun durch die nachzuzahlende Sozialversicherung rückwirkend weggefallen und so müsse der Mitarbeiter einen Teil seines bisher verdienten Honorars – im Streitfalle rund 100.000,00 € – an den Arbeitgeber zurückzahlen. Das fand das Bundesarbeitsgericht grundsätzlich richtig! (Nur über die Höhe der Nachzahlung musste noch verhandelt werden.)
Seitdem ist der freie Mitarbeiter zwar immer noch vor Nachzahlungen an die Sozialversicherung geschützt, aber nicht mehr vollständig vor Rückzahlungen von Arbeitslohn.
Mehr als je zuvor gilt deshalb: Lassen Sie sich bei freier Mitarbeit anwaltlich beraten. Und zwar am besten vorher.
Ihr Team von Erbel + Bernsen
Es gilt der Rechtsstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.